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Scarborough Fair
(Irish traditional)

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 Erscheinungsdaten

Das Lied ist wahrscheinlich im 16. oder 17. Jahrhundert entstanden.
In die Neuzeit gebracht wurde es von Paul Simon und Art Garfunkel auf ihrer CD „Parley, Sage, Rosemary and Thyme“ vom 10. Oktober 1966.

 Bedeutung

Die von uns gesungene Version von „Scarborough Fair“ hat inhaltlich drei Ebenen, die durch den Textversatz ineinander fließen:

   Vordergründig ist das Lied, das wir alle in der Version von Simon and Garfunkel kennen:
   Ein junger Mann erzählt einer anderen Person, was sie zu tun habe, wenn er oder sie auf den Jahrmarkt von Scarborough gehe. Die redende Person wird also nicht hingehen. Dem Freund wird aufgetragen, einer Frau, die dort lebt, eine Nachricht zu überbringen:
   Sie war einmal die wahre Liebe für den Sänger, aber dem ist jetzt nicht mehr so. Damit er sie wieder annimmt, wird ihr eine Reihe von unmöglichen Aufgaben aufgetragen (ein Hemd aus Batist herzustellen, an dem nicht eine Naht ist / Es im Jenseits zu waschen, wo es keine Quelle gibt und kein Regen je gefallen ist / ihm einen Acker zu finden zwischen Schaum und Sand der See / das Korn dann mit einer Sense aus Leder zu mähen und in einem Bund von Heidekraut zu sammeln), und wenn sie diese Aufgaben erfüllt habe, dann sei sie wieder seine wahre Liebe.
   Wahrscheinlich hat die besungene Frau den Sänger mit einem anderen Betrogen und er ist völlig enttäuscht von ihr. Mit diesen, unmöglichen Aufgaben macht er ihr klar, das er sie nie wiedersehen will, weil niemand in der Lage ist, derartiges zu vollbringen. Doch wünscht sich der Sänger, dass sie die Aufgaben vollbringt: die gebetsmühlenartige Wiederholung der Zeile "Then she'll be a true love of mine" und die Tatsache, dass er einem Freund aufträgt, ihr diese Nachricht zu überbringen, zeigt doch, dass er sie gerne wiederhätte.

   Die andere, regelmäßige Wiederholung in diesem Lied "Parsley, Sage, Rosmary and Thyme" lässt noch tieferes vermuten.    Petersilie, Salbei, Rosmarin und Thymian sind Kräuter, die in der Mystik der Kelten große Bedeutung hatten. Thymian, zum Beispiel, findet man immer wieder in alten britischen Liebesliedern (zum Beispiel "Wild Mountain Thyme", in dem eine Person eine andere auffordert, mit ihr in die Berge zu gehen und wilden Bergthymian zu pflücken [so hieß das also damals…]) und steht für Mut, es wurde häufig auf den Schilden der Ritter abgebildet. Salbei hat eine lange Tradition als reinigendes Räuchermittel, in dem zum Beispiel das mystische Handwerkszeug gereinigt wurde. Der Wiederholung dieser Zauberkräuter hat in diesem Lied einen gewissen Zauberspruchcharakter, so, als würde man in jeder Strophe statt der Kräuter "Hokuspokus Fidibus" singen.    Die Aufgabenstellung wiederum passt gut in diese mystischen Vorlage: um in der keltischen Mystik magische Reife zu erlangen und in den Orden der Druiden aufzusteigen musste der Anwärter verschiedene, unmöglich klingende Aufgaben bewältigen, die nur vor einem magischen Hintergrund und mit magischen Hilfsmittel Sinn machten. In den mittleren Strophen dieses Liedes findet man die klassischen Aufgaben wieder, die magischen Elemente zu beherrschen: Das Jenseits, der Ort wo kein Wasser fließt ist die Elementarwelt des Feuers, wir finden die Beschreibung dieses Ortes in der christlichen Mystik als Hölle. Das Hemd an diesem Ort zu waschen bedeutet, es mit dem Feuer zu weihen (auch hier finden wir christliche Parallelen: "Ich werde euch mit dem Geist und mit Feuer taufen").    Der Schaum ist der Zustand, der zustande kommt, wenn sich die Elemente Luft und Wasser mischen, Sand ist das Mischelement von Erde und Wasser. Wer zwischen den Elementen Wasser, Luft und Erde einen festen Stand gewinnt (einen Acker hat) beherrscht, vor einem entsprechenden religiösen Hintergrund, diese Elementarwelten.    Die zweite und die letzte Strophe erinnern stark an die Stellen im Märchen oder in Legenden, in denen der Held dem Zuhörer zeigt, wie gerissen er ist, weil er die Aufgabe uminterpretiert. (Wie öffnet man einen Knoten, der nicht zu entknoten ist? Man schlägt ihn mit dem Schwert durch. / Der Bruder, der den Pfeil am weitesten schießt, darf reiten, die Prinzessin zu retten. Was macht der, der keinen Bock hat? Er schießt senkrecht in den Boden / Der, dessen Pferd zu erste den Palast erreicht, der hat verloren. Was machen die zwei? Genau. Sie tauschen die Pferde / etc). Auch hier erwartet man, das die Besungene irgend etwas unerwartetes macht, wie zum Beispiel das Hemd nicht zu nähen, sondern zu stricken, oder die Sense aus einem dünnen Lederriemen zu machen und sie als Peitsche zu schwinden und damit die Halme umknicken, etc.

   Über dieser traditionellen Vorlage liegt in unserer Variante nun noch eine Ebene, die Geschichte über einen Krieg. Diese schleicht sich so langsam in das traditionelle Lied ein: Die erste Strophe wird noch normal durchgesunden, dann schleicht, pianissimo gesetzt, eine Stimme aus dem Hintergrund in das Lied ein. Zunächst vorsichtig erzählt sie über Dinge, die im tiefen Grün des Waldes verborgen sind, über Spuren im Schnee. Dann, schon mutiger, dass das Kind der Berge die Fanfare, ein traditionelles Instrument der Armee, zum Sammeln zu rufen, nicht hört ("Clarion" hat nebenbei auch noch die Bedeutung "Appell"). In der nächsten Strophe waschen dann schon silbrige Tränen ein Grab, während ein Soldat sein Gewehr reinigt und poliert. Zum Höhepunkt kommt diese Geschichte in der dritten Strophe, wo explizit von einem Krieg gesprochen wird, der in scharlachroten Battallionen (also in Uniformen der Engländer) über das Land hereinbricht. Und obwohl deren Beteiligte schon längst vergessen haben, wofür sie eigentlich kämpfen wird munter weiter getötet (man hat ja sonst nix gelernt J).

   Scarborough Fair von Simon und Garfunkel ist ein Lied, das gerne in schöner Runde am Lagerfeuer oder sonst wo gesungen wird. Alles ist in Ordnung suggeriert diese Weise. Mit diesem, oft und gern gesungenen Folksong im Vordergrund und dem brutalen Krieg im Hintergrund zeigt man uns, dass eben hinter der ruhigen und gelassenen "Friede-Freude-Eierkuchen" Fassade immer noch Kriege stattfinden, die teilweise nur noch aus Routine weitergeführt werden (oder weil der Großvater des Einen mal was über die Urgroßmutter des Anderen gesagt hat).

Christian Eichhorn